Gespräche, Telefon, Musik: Ist es laut bei Ihnen im Büro?

Die Mär vom ruhigen Büroarbeitsplatz

„Hach, so leise wie bei Dir im Büro hätte ich es auch gern. Bei uns in der Werkhalle dröhnen den ganzen Tag die Maschinen. Du hast´s gut mit Deinem ruhigen Bürojob!“ Wenn Sie jetzt nicht gegenhalten, haben Sie die Diskussion schon verloren.

Erzählen Sie doch mal von Ihrem Arbeitsplatz: von den ständig klingelnden Telefonen, den Anfragen, Mitteilungen und anderen Gesprächen von Mitarbeitern und Kunden sowie den Geräuschen der Büro- und Gebäudetechnik. Das reicht von der klappernden Tastatur der Kollegin über das Rattern und Summen von Drucker und Kopierer bis hin zum permanenten Surren der Klimaanlage. Weiß Ihr Gesprächspartner, wie schwer es ist, sich dabei auf die Arbeit zu konzentrieren?

Fakt ist: Der oft alltägliche hohe Geräuschpegel am Arbeitsplatz hat eine große Wirkung auf die Gesundheit der Beschäftigten. Das betrifft nicht nur den Lärm in Produktionsanlagen, Werkstätten, auf dem Bau oder beim Umgang mit Motorgeräten, sondern auch Personen, die in Schulen oder Kindertagesstätten arbeiten – und auch die Menschen im vermeintlich ruhigen Büro.

Laut ist schädlich, leise nicht?

Der bestehende Geräuschpegel – nicht nur am Arbeitsplatz – wurde lange Zeit nur unter dem Aspekt „Lärm“ als Ursache von direkten Schädigungen des Gehörs – im Ohr, „intraaural“ – betrachtet. Dabei gelten 120 Dezibel Schalldruck als Schmerzschwelle – hier werden als Beispiele oft der Presslufthammer oder der startende Düsenjet genannt. Andauernde Lärmpegel über 120 dB(A) und insbesondere kurzzeitige Impulse über 140 dB(A) können zu einer sofortigen und irreparablen Schädigung des Gehörs führen. Ein einziger Besuch einer zu lauten Musikveranstaltung oder die Explosion eines großen Silvesterböllers in der Nähe des Ohres reichen also aus, um Schwerhörigkeit zu verursachen!

Das vermeintlich stille Büro wurde meist vernachlässigt, da der Schalldruck laut Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Arbeitsräumen über die Dauer von acht Stunden höchstens 85 dB(A) betragen darf. Zum Vergleich: Bürogespräche liegen zwischen 50 und 60 dB(A), ein vorbeifahrendes Auto bei rund 75 dB(A). Doch eine permanente Geräuschkulisse auch unter diesem Wert beeinträchtigt Beschäftigte gerade bei ruhigen Arbeiten, die die volle Aufmerksamkeit erfordern. Hintergrundgeräusche werden deshalb von rund 90 Prozent der Büroangestellten als störendste Faktoren genannt. An erster Stelle liegen dabei die Gespräche, in die man selbst nicht einbezogen ist. Das ist keine Sache der Neugier! Denn selbst dann, wenn sie leise geführt werden, schaltet unser Gehirn auf Sprachverarbeitung um und blendet sie – im Gegensatz zu beispielsweise Telefongeläut – nicht aus. Aber welcher Ursache die Störungen sind, ist letztlich egal: Die Motivation und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen sinken.

Bereits diese niedrigen Dauerschallpegel können zudem indirekte, außerhalb des Ohres („extraaural“) auftretende Belastungen und Schäden verursachen. Ursache sind Alarmreaktionen im gesamten Organismus aufgrund des lärmbedingt erhöhten Reizzustands des vegetativen Nervensystems. Zu den Wirkungen des „leisen Lärms“ unter 85 dB(A) gehören unter anderem:

  • eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens,
  • Stressreaktionen wie Schlaf- und Verdauungsstörungen, erhöhter Blutdruck und Puls;
  • psychische Belastungen in Form von Leistungs- und Konzentrationsmangel, Reizbarkeit und Aggressivität;
  • Minderung der Leistungsfähigkeit vor allem bei komplexen mentalen Tätigkeiten.

Ein permanentes Grundrauschen kann also ebenso belastend sein wie eine durchgehend laute Beschallung. Letztere kann zumindest über Ohrstöpsel oder einen Kapselgehörschutz – die sogenannten Mickey Mäuse – abgedämpft werden. Aber im Büro? Hier ist diese Lösung wohl kaum praktikabel. Schließlich muss man ja auch noch ungehindert miteinander sprechen können ...

Lärmvermeidung im Büro

Die Vermeidung einer störenden Geräuschkulisse im Büro sollte schon bei der Planung des Arbeitsraums und der Arbeitsumgebung beginnen. Viele Aspekte lassen sich aber auch in schon bestehenden Bürolandschaften umsetzen. Wichtig sind hier:

  • die räumliche Aufteilung;
  • die Verwendung von schallschluckenden Materialien;
  • die Möblierung;
  • die technische Ausstattung;
  • organisatorische Maßnahmen;
  • aktive Gegenmaßnahmen.

Was heißt das konkret?

  • Schaffen Sie auch in Großraumbüros „Einzelarbeitsplätze“, indem Sie Bereiche durch beispielsweise Stellwände, Paravents, Plexiglasscheiben oder Kübelpflanzen abtrennen und sorgen Sie für ausreichenden Abstand zwischen den Mitarbeitern. Als Richtwert gelten 8 – 10 m² je Einzelarbeitsplatz bzw. 12 – 15 m² in Grossraumbüros. Lagern Sie laute Geräte wie Drucker oder Kopierer in einen separaten Nebenraum aus.
  • Glatte Flächen reflektieren Schall, raue werfen ihn gedämmt zurück oder absorbieren ihn. Teppichböden, Vorhänge sowie Wände und Decken mit Strukturputz mindern die Lärmbelastung bereits erheblich. Das Aufhängen von Bildern und Reliefs an den Wänden, das Aufstellen von Pflanzen oder strukturiert abgehängte Zimmerdecken sind schnell wirkende Maßnahmen, die auch in vorhandenen Räumlichkeiten leicht zu realisieren sind.
  • Bei Einrichtungsgegenständen sollten Sie darauf achten, dass beispielsweise Möbel aus Holz sind. Denn dieser Naturstoff schluckt ebenfalls Lärm, im Gegensatz zu Glas, Keramik oder Stahl, die ihn eher reflektieren.
  • Achten Sie bei der Ersatzbeschaffung von lauten Altgeräten und bei der Neubeschaffung auf möglichst leise Geräte. Ist ein Austausch noch nicht geplant, kapseln oder dämmen Sie die Apparate. Geeignete Materialien sind oft Filz oder Schaumstoff.
  • Auch organisatorisch bietet sich ein weites Spektrum an Möglichkeiten zur Reduzierung von Lärm. Gesprächsrunden können beispielsweise in separaten Räumen oder in abgetrennten Kabinen stattfinden. Personen, die sich oft untereinander austauschen müssen, sollten nebeneinander platziert werden. Zum Telefonieren kann ein Headset verwendet werden, da dank des empfindlichen Mikrofons die Stimme gesenkt werden kann. Flexible Bürozeiten sowie festgelegte „Ruhezeiten“, an denen weder Telefon- noch andere Gespräche im Raum stattfinden, sind in vielen Fällen ebenfalls durchsetzbar.
  • Lärm kann durch Lärm bekämpft werden! Das wird beim sogenannten aktiven Gehörschutz bereits angewendet. Vereinfacht gesagt werden die Schallwellen, die auf einen Gehörschutz wie Micky Mäuse oder Helme treffen, analysiert und durch Sender mit einer Frequenz entgegengesetzter Polarität, sogenanntem Antischall, neutralisiert. Im Büro ist das wenig praktikabel – aber hier kann auf das sogenannte „Sound Masking“ zurückgegriffen werden. Dabei wird der Raum mit beruhigenden Hintergrundgeräuschen wie Regen oder Wind beschallt. Sie überdecken die vielen Gesprächsfetzen im Büro und ermöglichen es den Mitarbeitern, konzentrierter zu arbeiten.

Mit diesen Maßnahmen kann der Lärmpegel bereits wesentlich gesenkt werden. Und das lässt sich sogar ohne viel Aufwand messen.

Lärm messen – mit der Lärm-App

Eine Lärmmessung ist ja eigentlich etwas für die Profis – und sollte es auch bleiben. Aber die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat eine Schall-Prognose-App namens „SPA“ entwickelt, die Sie kostenlos herunterladen können. SPA hilft Ihnen bei der Abschätzung der Lärmbelastung – das heißt, Sie können durch Vorher-Nachher-Messungen die Wirksamkeit Ihrer Lärmschutzmaßnahmen prüfen. Und: Sie benötigen für die Anwendung keinerlei Vorkenntnisse.

Musik hören im Büro – ja oder nein?

Musik hebt die Stimmung, beschwingt und lässt die Arbeit leichter von der Hand gehen, sagen die einen. Die anderen erwidern, dass Musik nur ablenkt und die Konzentration stört. Wer hat recht? Beide.

Bei einfachen Arbeiten, die nicht viel Aufmerksamkeit erfordern, sorgen nicht zu schnelle Rhythmen in moderater Lautstärke für eine gleichmäßige Arbeitsweise, Motivation und geben Schwung. Hintergrundmusik kann auch wie das Sound Masking dabei helfen, störende Einflüsse auszublenden und sich besser zu konzentrieren.

Bei anspruchsvoller geistiger Arbeit ist Musik allerdings kontraproduktiv, da sie Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses beansprucht. Der Musikgenuss lenkt ab, macht schneller müde und erhöht die Fehlerhäufigkeit. Bei komplexen Aufgaben sollte daher Musik tabu sein.

Die letzte Rettung: Ausweichen!

Wenn alle Maßnahmen nicht ausreichen, den störenden Lärm zu vermeiden, dann bleibt Ihnen immerhin noch eine Möglichkeit: das Ausweichen. Wird es zu laut, dann sollten Sie einen Ausweichraum oder Rückzugsort aufsuchen. Wenn Sie oder Ihre Mitarbeiter ungestört und ohne Ablenkungen arbeiten wollen, dann sollten Sie sich dorthin zurückziehen.

Aber sogar eine gewisse Lautstärke hat etwas Gutes: Forscher der Universität Chicago haben herausgefunden, dass bei lauteren Hintergrundgeräuschen bis zu 70 Dezibel eher kreative Ideen entstehen als bei weniger lauten Geräuschen im 50-Dezibel-Bereich. Sind deshalb kreative Sitzungen oft so lebhaft?